Sieben Industrieverbände warnen: Keine Zeit für Hinhaltetaktik: Energiepreise werfen Automobil-Zulieferer aus der Spur
Explodierende Energiekosten und mangelnde Kundenkooperation werfen Autozulieferer gerade komplett aus der Spur. Und das aktuelle Entlastungspaket wird es nicht schaffen, Unternehmen wieder auf eine sichere Route zu lenken. „Wir erleben bei unseren meist mittelständischen Mitgliedsunternehmen maximale Unsicherheit. Ohne staatlichen Deckel, ein breiteres Stromangebot und unternehmensorientierte Maßnahmen werden die Energiekosten in Deutschland zum maßgeblichen Standortnachteil. Gleichzeitig brauchen die Mittelständler sofortige Unterstützung durch ihre Kunden“, unterstreichen sieben Verbände in einer gemeinsamen Presseerklärung. Sie kommt von den Industrieverbänden Blechumformung (IBU), Massivumformung (IMU) und Härtetechnik (IHT), den Fachverbänden Pulvermetallurgie (FPM) und Metallwaren- und verwandte Industrien (FMI) sowie dem Verband der Deutschen Federnindustrie (VDFI) und dem Deutschen Schraubenverband (DSV).
„Es ist fünf vor zwölf“ – Energie ist die Grundlage für industrielle Produktion
Ausgangspunkt sind wahnwitzige Energiekosten: Strompreissteigerungen um das 15-Fache des Vorjahres und 1.000-prozentige Gaspreisanstiege katapultieren Zulieferer in ausweglose Lagen. „Es ist fünf vor zwölf“, warnt IBU-Geschäftsführer Bernhard Jacobs. „Wenn der Staat die Energiepreise jetzt nicht deckelt, ruiniert er in kürzester Zeit die Unternehmen und viele Tausende Arbeitsplätze.“ Tobias Hain, IMU-Geschäftsführer, ergänzt: „Wir fordern zur Preisberuhigung eine breit aufgestellte Stromproduktion. Und den Fall der überkommenen Strompreisbildung, des sogenannten Merit-Order-Prinzips. Der Staat muss alle denkbaren Maßnahmen und Regelungen ergreifen und dabei deren langfristige Auswirkungen bedenken.“
Kooperative Geschäftsmodelle haben Zukunft
Mittelständische Unternehmen brauchen jetzt Tempo und dazu die Kooperationsbereitschaft ihrer Kunden. Geschäftsmodelle, die das alleinige Beschaffungsrisiko beim Zulieferer sehen, haben sich überlebt. „Erfolgreiche Automobilisten denken die Zukunft ihrer Zulieferer bereits mit“, weiß FMI-Geschäftsführer Werner Liebmann. „Natürlich verhandelt jedes Zulieferunternehmen selbst mit seinen Kunden. Die Branche wird aber nicht länger der Puffer sein können, der unternehmerische Risiken von Kunden fernhält“, unterstreicht DSV-Geschäftsführer Hans Führlbeck. Konkret bedeutet das: Zahlungsziele, Savings-Rituale und die Verbindlichkeit von Bestelldaten brauchen eine Anpassung an aktuelle Marktverhältnisse.
Transparenz und Konsequenz gefragt
Transparenz und Konsequenz sind für Dirk Hölscheid, Geschäftsführer der Verbände FPM und IHT, Schlüssel zur Problemlösung. Er sieht keine Zeit mehr „zum Taktieren und Auf-Zeit-Spielen. Zulieferer, die ihre Kosten offen und nachvollziehbar darlegen, haben das Recht, von Kunden Fairness, Akzeptanz und schnelles Handeln einzufordern.“
Zulieferer denken über Ausstieg nach – erkennen Autobauer die Gefahr?
Noch erklären liquide Automobilhersteller die Themen Energie- und Logistikkosten zum alleinigen Lieferantenproblem. Sie spielen auf Zeit und bemühen den Begriff „Painsharing“. Ihre Strategie könnte allerdings scheitern: Erste Zulieferer denken über ihren Ausstieg aus der automobilen Lieferkette nach. Bernhard Jacobs (IBU): „Sie suchen nach neuen Geschäftsfeldern und kooperativen Kunden. Weil sie keine Lust mehr auf die alten Verhandlungsrituale haben.“ „Werden ihre Kunden – Automobilhersteller und Systemlieferanten – die daraus folgende Gefahr rechtzeitig erkennen? Oder den Bogen überspannen?“, fragt sich Tobias Hain (IMU). Letzteres würde die Automobilproduktion empfindlich ausbremsen. Bleibt zu hoffen, dass die Autobauer rechtzeitig die Kurve bekommen. Und die Politiker ihre Entscheidungen beschleunigen.